Der Stein der Weisen oder der Stein des Anstoßes??

Seit dem 22.12.1994 liegt aus der Wiese vor dem Gymnasium Misburg ein Steinblock am Wegesrand, ca. 5-6 Tonnen schwer. Ein stummer Zeit-genosse, nichts besonders, oder? Er war vorher nicht dort und mischt sich nun ein. In blicke auf die Schule, in den Schulweg durch die Fenster der Klassenräume auf die grüne Fläche. Ein seltsamer Gast, der sich anschickt, noch sehr lange dort zu verweilen. Wie heißt er? Woher kommt er? Was will er? Was sollen wir mit ihm?

Während der ersten "Kulturtage" am Gymnasium Misburg wurde er, vom "Thüster Steinbruch" kommend, aus seiner ungefähr 40 Millionen Jahre dauernden Ruhe geweckt. Der frei-schaffende Bildhauer Wilfried Behre fand ihn, suchte ihn aus und be-gleitete ihn per PKW von der Misburger Firma Michaelis nach Misburg. Mit Schülern des Leistungskurses Kunst wurde er mit Hammer und Meißel bearbeitet, aber erst, nachdem nahezu 100 Schüler ihn am dicken Tau ziehend umgedreht hatten.

Dort, auf der Unterseite, entstand etwas, eine Art Relief-Muster, kreisförmig eine Scheibe mit vielen Spuren des eifrigen "Pickens". Vorsichtig wurde dem Stein eine flache Form entnommen, sie zerstörte ihn nicht. Es wurde ihm etwas genommen, und er hat etwas bekommen. Eine bleibende Spur des Berührens.
Dann, ja, und dann passierte es: Wieder zogen ca. 100 Schüler an einem Strang - und drehten den Stein wieder in seine Ausgangslage zurück, das Werk der meißelnden Schüler unter sich verbergend!

Und er sieht aus wie vorher. Aber alle, die es gesehen haben, wissen es: Da unten, unter dem Block, an-gepreßt an die Erde, unsichtbar, liegt eine Scheibe eingehämmert. Eine Sonne? Ein Mond? Ein Rad? Verdeckt wie viele Schätze unserer Erde, nur mühsam zu entdecken oder gar zu bergen.
Eine wahrhaft rätselhafte Aktion, die dort ablief. Es bleiben Bilder wie nach einem Film, den man gesehen hat, wie nach einer Musik, die man gehört hat. "Soll das etwa Kunst sein? Kann Kunst sein, was ich verstecke?" Oder kann es empfind-samer machen den Dingen gegen-über, die um uns herum sind? Was befindet sich wohl unter den Dingen, dahinter, innendrin, mit denen wir so achtlos umgehen, weil wir sie eigentlich nicht mehr wahrnehmen? Ist es "Archäologie verkehrt??" Wann wird je einmal wieder gesehen, was sich unter dem Stein befindet? In 2, 7,30 Jahren? Und was wird man dabei denken, fragen? "Kunst hat keine fertigen Antworten, nur Fragen", war das Motto der letzten Dokumenta -Wie wahr!
Organisiert wurde dieses Projekt vom Stadtteilkulturbüro, der Schule und dem Bildhauer Wilfried Behre, unterstützt wurde es von der Spedition Michaelis und den Eltern des Gymnasiums, Ihnen allen sei hier gedankt. SU
1995